Psychotische Symptome gehören zu den schwersten Langzeitkomplikationen der Parkinson-Krankheit. Ihre Therapie fußt auf der Erfassung und Behandlung akuter Auslöser, der Vereinfachung der Parkinson-Medikation, dem Absetzen potenziell psychoseauslösender Medikamente und der Einstellung auf atypische Antipsychotika. Quetiapin ist in Europa vermutlich das am häufigsten eingesetzte Medikament in der Therapie der Parkinson-Psychose. Obwohl randomisierte klinische Studien die Wirksamkeit von Quetiapin in der Therapie der Parkinson-Psychose nicht belegen konnten, wird Quetiapin von der Movement Disorder Society als möglicherweise wirksam in dieser Indikation eingestuft (1). In den USA ist der inverse Serotonin 2A-Rezeptor Agonist Pimavanserin das einzige zugelassene Medikament für die Therapie der Parkinson-Psychose. Die Substanz ist in Europa allerdings nicht verfügbar. Clozapin ist das wirksamste Medikament in der Therapie der Parkinson-Psychose, wird aber aus Sorge vor Nebenwirkungen viel zu selten und häufig zu spät eingesetzt
In einer retrospektiven Studie hat Walter Pirker, Klinik Ottakring, den praktischen Einsatz und die Langzeitwirksamkeit von Clozapin bei schweren Parkinson-Psychosen, die auf Quetiapin nicht oder nur vorübergehend ansprachen, untersucht (2). Daten aller vom Autor über 20 Jahre auf Clozapin eingestellten psychotischen Parkinson-Patienten wurden untersucht. Das Kollektiv umfasste 38 Patienten mit Parkinson-Psychose, 2 Parkinson-Patienten mit psychotischer Depression und Suizidalität und einen Parkinson-Patienten mit vorbestehender schizoaffektiver Psychose. Alle bis auf einen Patienten waren mit Quetiapin, meist mit Tagesdosen bis zu 150mg, erfolglos vorbehandelt. Ein direkter Therapieswitch von Quetiapin auf Clozapin in einem Verhältnis von 3:1 bis 4:1 wurde von den meisten Patienten gut toleriert. Nur 1/41 Patienten beendete die Therapie nach der ersten Dosis. Die initiale Clozapindosis der Patienten mit direktem Therapieswitch lag bei 37,7mg. Die maximale Clozapin-Dosis lag zwischen 12.5 und 150 mg (72.9 ± 29.9 mg). Der Großteil der Patienten nahm Clozapin als Einmaldosis vor dem Schlaf ein. Ein kleinerer Teil der Patienten nahm eine kleine Dosis am späten Nachmittag und die größere Dosis vor dem Schlaf ein.
In den meisten Fällen führte die Umstellung bereits in der ersten Therapienacht zu einer Besserung des Schlafs. Eine signifikante Reduktion psychotischer Symptome war nach 2 Tagen bis zu 6 Monaten zu beobachten. Unter den Patienten, die Clozapin tolerierten, zeigten 10 ein sehr gutes, 25 ein gutes, 3 ein mäßiges und 2 ein schlechtes Ansprechen auf Clozapin. Halluzinationen sprachen rascher auf die Clozapin-Therapie an als Wahnsymptome, insbesondere, wenn der Wahn nicht aus Halluzinationen resultierte. Die Suizidalität klang bei beiden Patienten mit psychotischer Depression ab. Die Therapiedauer lag zwischen 2 Monaten und 12 Jahren. Das Langzeitansprechen war bei 23 Patienten sehr gut oder gut, mäßig bei 3 und schlecht bei 2 Patienten. Eine fortschreitende Demenz war der relevanteste Risikofaktor für ein schlechtes oder fehlendes Ansprechen auf Clozapin.
In 2 Fällen musste Clozapin aufgrund von Nebenwirkungen abgesetzt werden: Ein Patient entwickelte 8 Wochen nach Therapiebeginn eine Agranulozytose, die nach Absetzen remittierte. Eine Patientin hatte retrospektiv bereits vor Therapieeinstellung eine thrombotisch-embolische pulmonale Hypertension entwickelt. Clozapin wurde wegen des Risikos einer Verschlechterung dieser Zusatzerkrankung beendet. Weitere unerwünschte Ereignisse waren eine Pulmonalembolie, die 1 Monat nach Therapiebeginn auftrat, eine starke Gewichtszunahme (eine bei Parkinson-Patienten selten beobachtete Nebenwirkung), Sedierung, Siallorrhoe und die Verstärkung von orthostatischer Hypotension. Kein Patient zeigte eine Verschlechterung der motorischen Parkinson-Symptomatik und bei vielen war eine Besserung der Parkinson-Tremors unter Clozapin zu beobachten.
Die Daten stehen im Einklang mit den Ergebnissen früherer Clozapin-Studien, die eine sehr gute Wirksamkeit von Clozapin bei Parkinson-Psychose zeigten. Eine gute Wirksamkeit von Clozapin ist auch bei psychotischen Parkinson-Patienten, die schlecht auf Quetiapin ansprachen, zu erwarten. Patienten mit schweren Psychosen oder schweren Verhaltensstörungen benötigen jedoch im Einzelfall Dosierungen, die über jene, die in den Placebo-kontrollierten Clozapin-Studien verwendet wurden, hinausgehen. Ein direkter Therapieswitch von Quetiapin auf Clozapin wird von den meisten Patienten toleriert. Nebenwirkungen sind in den meisten Fällen managebar. Der Einsatz von Clozapin sollte nicht aufgeschoben werden, wenn sich andere Maßnahmen (z.B. Quetiapin in Tagesdosen bis ca. 150mg) gegen schwere Parkinson-Psychosen als wirkungslos erweisen.
Autor:
Prof. Dr. Walter Pirker
P-Update Editoren:
Priv. Doz. Dr. Atbin Djamshidian-Tehrani,
Assoz.Prof. Priv. Doz. Dr. Petra Schwingenschuh
Literatur
(1)
Seppi K, Chaudhuri KR, Coelho M, et al. Update on Treatments for Nonmotor Symptoms of Parkinson’s Disease—An Evidence-Based Medicine Review. Movement Disorders 34;2 (2019):180–198. https://doi.org/10.1002/mds.27602
(2)
Pirker W. Clozapine for Quetiapine-Refractory Psychosis in Parkinson’s Disease: A Long-Term Single-Center Retrospective Study. Parkinson’s Disease. First published: 10 March 2025. https://doi.org/10.1155/padi/1068722